Infantile Zerebralparese – Krankheit mit breitem Spektrum

Die Infantile Zerebralparese (ICP) ist eine meist spastische Störung des Nerven- und Muskelsystems, die mit erheblichen Einschränkungen einhergeht. Dabei stehen die medizinischen Fachbegriffe für cerebral = im Gehirn und Parese = Lähmung.
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Wo liegen die Ursachen für eine infantile Zerebralparese?

Der Begriff Zerebralparese (auch Cerebralparese) fasst frühkindliche Gehirnstörungen zusammen, die angeboren sind oder sich nach der Geburt entwickeln. Die Ursachen der ICP sind vielfältig: Sauerstoffmangel, Nabelschnurkomplikationen, Infektionen, Hirnblutungen, Strahlenbelastung oder ein ungesunder Lebensstil und Unfälle können im gesamten Verlauf der Schwangerschaft, unter der Geburt oder in den ersten zwei bis vier Lebensjahren zur infantilen Zerebralparese führen. Sauerstoffmangel während der Geburt führt zu einer Zerstörung von Nervenzellen, die eine Zerebralparese bedingt. In der Spätschwangerschaft kann es auch vorkommen, dass die Gehirnschädigung durch Thrombosen oder Embolien verursacht wird. Nach der Geburt werden meist Gehirnhautentzündungen und vorübergehender Sauerstoffmangel infolge eines Unfalls als Ursachen diagnostiziert. Es kann aber auch vorkommen, dass Kindesmisshandlung ein Schütteltrauma auslöst, als dessen Folge sich eine Zerebralparese entwickelt.

Symptome der ICP

Schätzungen zufolge treten angeborene oder frühkindliche Gehirnstörungen bei ein bis drei von rund tausend Neugeborenen auf. Besonders häufig sind Frühgeborene betroffen. Dabei können sowohl die Bewegungsfähigkeit, der Gleichgewichtssinn und die Sensomotorik als auch die Sprachfähigkeit, das Gehör, das Sehen oder das Denken beeinträchtigt sein. Die Ausprägung der Symptome ist abhängig von der Lokalisation der geschädigten Gehirnareale und kann sehr unterschiedlich sein. Spastische Symptome treten bei 75 Prozent aller Fälle auf.

Mediziner unterscheiden verschiedene Formen der Zerebralparese. Dabei können die Funktionsstörungen den ganzen Körper (Tetraparese), eine Körperhälfte (Hemiparese) oder zum Beispiel nur die Beine (Diparese) betreffen.

  • Die spastische Lähmung ist gekennzeichnet durch vermehrte, unkontrollierte Muskelspannung, Gliedersteifheit und Gelenkfehlstellungen. Betroffene können zusätzlich unter epileptischen Anfällen und Sinnesstörungen leiden. Auch vermehrte Speichelproduktion sowie Schluck- und Kaubeschwerden sind als Begleitsymptome möglich.
  • Die ataktische Lähmung ist gekennzeichnet durch unkontrollierte langsame verkrampfte Bewegungen. Auch der Gleichgewichtssinn kann gestört sein; zielgerichtetes Gehen, Greifen oder Sehen ist kaum möglich. Auch Hör- und Sprachstörungen, unkontrolliertes Grimassieren sowie Verhaltensstörungen treten bei frühkindlichen Ataxien häufig auf.
  • Die athetotische Lähmung äußert sich in verkrampften, sehr langsamen und unwillkürlichen Bewegungen. Der Muskeltonus wechselt zudem oft von einem Moment zum anderen sekundenschnell von der Entspannung zum verkrampften Zustand.

Zusammenarbeit vieler Fachdisziplinen

Die Folgen der Krankheit sind eine verzögerte Entwicklung des Bewegungsapparates, aber auch der Verständigung und des Lernens. Das Sitzen, Stehen und Laufen, aber auch die Benutzung von Armen und Händen wird verspätet oder nicht erlernt. Es kann zu Muskelverkürzungen, Gelenkfehlstellungen oder -instabilitäten kommen. In der Regel zeigen sich die ersten Anzeichen einer Zerebralparese bereits in einem Alter von etwa vier bis fünf Monaten, wenn das Baby die ersten Greifbewegungen unternimmt. Häufig wird die Störung allerdings erst dann festgestellt, wenn das Kleinkind zu stehen und zu gehen beginnt.

Für eine erfolgreiche Therapie ist es wichtig, dass die Diagnose möglichst früh gestellt wird. Die eigentliche Schädigung des Gehirns kann nicht therapiert werden, jedoch werden mit einer multidisziplinären Behandlung recht gute Erfolge erzielt:

  • enge Zusammenarbeit zwischen Patienten, Angehörigen, Neuroorthopäden, Neuropädiater/Neurologen, Kinderärzten
  • Krankengymnastik zur Behandlung und Verhinderung von Kontrakturen, Erlernen und Verbessern des Gehens sowie nach Operationen.
  • Ergotherapie zur Verbesserung der Handfunktion sowie dem Koordinations-, Funktions- und Selbsthilfetraining
  • Logopädie
  • Orthopädietechniker und -technikerinnen entwickeln Hilfsmittellösungen – zum Beispiel für Positionierung und Lagerung, Verbesserung der Balance und Gehfähigkeit (Unterschenkelorthesen, Laufhilfen, Sitz- und Positionierungshilfen, Nachtlagerungsschienen, Handorthesen, Skoliose-Korsett, Kopfschutz, Rollstuhl usw.).

 

Mitunter kommen auch Medikamente zum Einsatz – etwa zur Minderung der spastischen Lähmung.

Ergeben sich unter der konservativen Therapie keine Fortschritte oder gar Rückschritte, kommen auch Operationen zur Anwendung: zum Beispiel Verlängerungsoperationen an der verkürzten Muskulatur, Sehnenansatzverlagerungen, knöcherne Umstellungsoperationen oder auch Gelenkversteifungen). Im Anschluss daran erfolgt in der Regel eine stationäre Rehabilitation, verbunden mit einer Gipsbehandlung, eine (neu angepasste) Orthesen- und Nachtschienenbehandlung sowie eine intensive Krankengymnastik.

Warum mit Orthesen behandeln?

Orthesen fungieren als Stützpfeiler und können somit ein Ergebnis halten, das durch therapeutische Behandlung erzielt wurde. Außerdem werden Orthesen genutzt zur:

  • Korrektur von Fehlstellungen
  • Muskeltonusregulation
  • Schutz gefährdeter Regionen
  • Verbesserung eingeschränkter Funktionen
  • Prophylaxe drohender Deformitäten
  • kosmetischen Behandlung


Bei einer ICP mit spastischer Lähmung oder anderen motorischen Bewegungsstörungen kommen inzwischen auch neuartige Ganzkörperorthesen wie der Mollii Suit zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um ein Oberteil nebst Hose, in denen zahlreiche Elektroden eingenäht sind. Diese Elektroden sind dabei so platziert, dass bis zu 40 Muskeln – individuell einstellbar – stimuliert werden können. Die niederfrequente Elektrostimulation führt zu einer Entspannung der verkrampften Muskulatur, was eine aktivere Bewegung ermöglicht. Derartige Ganzkörperorthese werden in der Regel zeitlich begrenzt, beispielsweise eine Stunde täglich, getragen.

Da jeder Patient und jede Patientin unterschiedlich ist und auch die Krankheit sehr individuell verläuft, wird auch das Behandlungskonzept jeweils genau angepasst. Die Krankheit kann tückisch sein oder beinahe unauffällig. Das Spektrum der ICP ist weit, denn eigentlich gibt es kein einheitliches Bild der Erkrankung. Viele Symptome werden darunter gefasst – und damit ist auch die Linderung der Beschwerden ganz individuell zu betrachten.

Zudem handelt es sich bei IPC oft um eine sich verändernde Schädigung: Da sich die Haltungs- und Bewegungsstörungen mit dem Wachstum und der Entwicklung verändern, ist eine langfristige Betreuung notwendig.

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